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Coverstory: Klaus Eberhartinger

ERNSTE Allgemeine Verunsicherung

Nach fünf Jahren Album-Abstinenz hat die EAV im Jänner "Werwolf-Attacke! (Monsterball ist überall...)" veröffentlicht. Wir haben im Rahmen der Promotiontour einen wenig lustigen und sehr nachdenklichen Klaus Eberhartinger zum Interview getroffen.

"Lustig zu sein geht kaum noch, man muss sich schon in den bösen Humor retten", erzählt uns Klaus Eberhartinger mit stoischer Miene. Knapp zwei Wochen nach den islamistischen Terroranschlägen auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo und all den anderen schlechten Nachrichten ist dem in der Öffentlichkeit meist recht heiter scheinenden EAV-Frontmann alles andere als zum Scherzen zumute. In diesem Moment sitzt uns nicht der spaßige "Dancing Stars"-Moderator oder die schrille Gailtalerin aus dem "Watzmann" gegenüber und auch den humorvollen Sänger, der eigentlich im Rahmen dieses Interviews das neue Album bewerben sollte, bekommen wir kaum zu Gesicht. Es ist vielmehr die Privatperson Klaus Eberhartinger, die sich über die vielen Probleme auf diesem Planeten ernsthaft Gedanken und Sorgen macht. "Entspannter Humor, einen Märchenprinzen auf die Schaufel nehmen oder eine Reihe dämlicher Banküberfälle wie es damals der Fall war, das geht in so einer Zeit nicht mehr."

Als Eberhartinger vor 34 Jahren zur Band stieß und STS-Drittel Gert Steinbäcker als Sänger ablöste war jedoch auch nicht alles eitel Wonne. EAV-Mitglied Walter Hammerl hatte sich im selben Jahr das Leben genommen und auch gesellschaftspolitisch gab es Krisen, Konflikte und den Kalten Krieg. "Seit unseren Anfängen hat sich vieles geändert, aber nicht zum Guten. Der Konsumwahn ist noch stärker geworden, das Aufeinanderschauen in der Gesellschaft hat abgenommen, der Existenzkampf hat sich verschärft, die Ungerechtigkeit ist größer geworden", so Eberhartinger. Die Erste Allgemeine Verunsicherung hat sich in all den Jahren allerdings nie den Mund verbieten lassen und in ihren Liedern stets Probleme auf satirische Art und Weise angesprochen. "Sarkasmus und Verletzung der subjektiven Würde muss man aushalten. Ich habe die Karikaturen von Charlie Hebdo gar nicht gut gefunden, aber dennoch muss man aufstehen und sagen: Das geht nicht! Das ist ein Angriff auf die mühsam erkämpfte Meinungsfreiheit in der offenen Gesellschaft." Diese Meinungsfreiheit war der steirischen Band schon immer wichtig, hat ihr im Laufe ihrer Karriere aber auch einige Skandale beschert. Die Single "Afrika" (1983) wurde von den deutschen Rundfunkanstalten boykottiert, weil sie angeblich zu viele Wahrheiten über den typischen Massentouristen verbreitet hätte. Ein Jahr später gab es aufgrund ihres Live-Programms "Spitalo Fatalo" Bombendrohungen aus der Nazi-Szene, 1988 wurde die EAV wegen Beleidigung des damaligen österreichischen Bundespräsidenten Dr. Kurt Waldheim angeklagt und die Tschernobyl-Nummer "Burli" sorgte ebenfalls für Unruhe, da sie angeblich Behinderte beleidigt hätte. In den Folgejahren gab es außerdem noch Stress mit Jörg Haider und dem Bayerischen Rundfunk aufgrund des Papst-kritischen Songs "s’Muaterl". Dass vor der Veröffentlichung des neuen Albums abermals eine Diskussion aufbrannte, weil das Lied "Lederhosen-Zombies" von einigen Medien als Angriff auf die Volksmusik beschrieben wurde, war für die Gruppe also keine neue Situation, geärgert hat sie Klaus Eberhartinger aber trotzdem. "Im Internet ist ein Bashing und ein Shitstorm losgebrochen, teilweise der übelsten Sorte, mit Beleidigungen, die Blödmann und A****loch deutlich überschritten haben. Wie die Leute mit Geifer auf eine Schlagzeile reagiert haben war unglaublich. Ausdrücke wie links-links, Rotfunk, ihr gehört’s mit der Conchita Wurst vergast", erzählt der EAV-Frontmann. Fast noch mehr als die Beleidigungen scheint ihn jedoch der Umstand verärgert zu haben, dass es eigentlich viel wichtigere Probleme zu lösen gäbe. "Es ging uns um die Szene, um den alpenländischen Ballermann, der die Tracht zum Faschingskostüm macht. Ein Thema, das uns aber gar nicht groß interessiert. Ein Schnellschuss an einem Nachmittag und das war’s."

"Einen Märchenprinzen auf die Schaufel nehmen oder eine Reihe dämlicher Banküberfälle, das geht in so einer Zeit nicht mehr."

Über Umwege haben wir es in unserem Interview also doch zur Musik und der aktuellen Platte geschafft. "Es gibt so viele schlimme Themen, deshalb auch der Titel ´Werwolf-Attacke! (Monsterball ist überall...)‘. Das Album ist böser geworden und auch ziemlich düster. Die EAV ist mittlerweile die ´Ernste´ Allgemeine Verunsicherung", so Eberhartinger. Monster verstecken sich eben nicht mehr nur unter dem Bett. Im Gegenteil: Sie haben sich auf der ganzen Welt ausgebreitet, mehr oder weniger unerkannt. Radikale, Amokläufer, Dominas, böse Russen und Pleitegeier. Das Album lässt kein Monster in Frieden, sondern nimmt sich eines nach dem anderen zur Brust. Bei genauem Zuhören ist es daher gar nicht die leichte Kost, die es bei oberflächlicher Betrachtung zu sein scheint, aber das ist gut so. "Für mich gibt es zwei ganz große Krankheiten auf dieser Welt und ich meine nicht Ebola. Dummheit ist unheilbar, mit ihr lässt sich ganz schlecht für etwas begeistern, aber großartig fanatisieren. Ganz gefährlich und weit verbreitet: die Gleichgültigkeit. Pfeif drauf, man kann eh nix machen, Hauptsache uns geht’s gut. Das ist wie ein Pilz, der überhandnimmt." Und da ist er wieder, der Klaus Eberhartinger, der zwar nicht mit PR-Phrasen für die neue Produktion wirbt, uns aber mit Inbrunst dessen Inhalte erklärt und uns ausnahmsweise nicht mit Gesang an seine Lippen fesselt. Also hören wir ihm weiter zu. "Ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt über 50% des Weltvermögens. Das ist nicht mehr gerecht. Diskriminierung, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Intoleranz anders denkenden und seienden gegenüber Homosexualität ist nach wie vor ein Thema wo viele eine Faust machen. Wir haben Religionskriege wie im Mittelalter und da muss ich schon sagen: Die Moslems haben nicht nur Rechte, sondern auch die Verpflichtung gegen die Radikalisierung zu arbeiten. Das war einmal eine friedlebende Religion, die unheimlich viele Gelehrte hervorgebracht hat. Die haben sich zurückentwickelt. Und auch so viele Umweltparameter stimmen nicht mehr, wir bekommen eigentlich eine rote Karte nach der anderen und trotzdem ist es uns offenbar wurscht."

Eine positive Auswirkung hat diese Tristesse allerdings, denn sie hat Klaus Eberhartinger und Thomas Spitzer dazu motiviert das Kapitel EAV noch nicht zu beenden und ein neues Album aufzunehmen. Ganz so sicher war das nämlich nicht. "Nach der vorletzten Tournee ist Thomas ausgestiegen, weil ihm das Gitarristendasein zu wenig war, er wollte sich wieder mehr mit der Malerei beschäftigen, eher emotionale Nummern schreiben und einfach mal nicht an die EAV denken müssen. Ich habe weitergemacht, habe dann aber auch eine Pause gebraucht. Vor einem Jahr haben wir dann gesagt: Was is‘ jetzt? Hören wir auf oder machen wir noch was?", erinnert sich der 64-Jährige. Schlussendlich kehrte Thomas Spitzer zurück und es wurde wieder etwas gemacht. Ist eine EAV ohne Spitzer denn eigentlich vorstellbar? "Unmöglich, absolut unmöglich, aber ohne Eberhartinger auch nicht." Das erste Lächeln. Trotz der vielen Weltprobleme hatten die beiden wieder richtig Spaß an der EAV und wollen sich deshalb bis zur nächsten CD nicht wieder so viel Zeit lassen. Doch zunächst wird es im Herbst lustig. "Ich mache einen Ausflug auf die Kleinkunstbühne mit Christoph Fälbl. Das wird ein Geblödel werden mit weniger Tiefgang", verrät er uns. Nach all der Ernsthaftigkeit kann das nicht garantiert schaden…

Fotos: © ORF/Thomas Ramstorfer, Karl Schrotter, Sony Music

 

 

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