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Rainhard Fendrich

"Auch aus dem jüngsten Buam wird einmal ein alter Knacker."

Rainhard Fendrich wurde im vergangenen Monat sechzig Jahre alt. Wir haben die Austropop-Ikone kurz vor seinem Geburtstag zu einem sehr intimen Interview getroffen und mit ihm über sein aktuelles Album, das Altwerden und den jungen Fendrich gesprochen. Im Rahmen seiner Karriere hat Rainhard Fendrich viele Lieder geschrieben, manche davon wurden zu Riesenhits, andere hat der seit wenigen Wochen Sechzigjährige mittlerweile selbst vergessen. Aus diesem Grund hat sich der Musiker für seine neue CD noch einmal all seine Lieder angehört und eine Auswahl davon neu aufgenommen.

ÖMM: Wie entstand die Idee zu dem Album "Auf den zweiten Blick"?

Rainhard Fendrich: Ich habe mir gedacht, ich habe in meinem Leben so viele Lieder geschrieben und bekomme oft Mails, die sich mit alten Liedern auseinandersetzen, also höre ich mir alle meine alten Alben einfach noch einmal an.

ÖMM: Und dabei hast du dir dann deineLieblingslieder herausgesucht…

Fendrich: Lieblingslieder hab‘ ich ned, denn das Lieblingslied ist immer das, an dem ich gerade arbeite. Es sind Lieder, die mir aufgefallen sind, die mich berührt haben, die sich gut angefühlt haben und die sich auch heute noch singen lassen. "Wasdwaswawannidatscheawa" kann ich heute nimmer singen und auch "Tutti Frutti" nicht, weil es die TV-Sendung ewig nicht mehr gibt. Andere Lieder wie "Die Erde" über unsere Natur oder "Sonntagnachmittag" über das Abschieben von alten Menschen sind aber nach wie vor brandaktuell.

ÖMM: Auf die großen Hits hast du bewusst verzichtet?

Fendrich: Ja, für mich war von Beginn an klar: Keine Hits! Den "Negerant" hab ich nur genommen, weil ich mich so geärgert habe und mir in einem Resteraunt dann "ein dreifaches Hurra auf die Hypo Alpe Adria" eingefallen ist. Wegen diesen G‘frastern haben so viele Leute Geld verloren, das war für mich ein Grund dieses Lied wieder auferstehen zu lassen.

ÖMM: War er es für dich eigentlich komisch, deine alten Songs anzuhören?

Fendrich: Komisch nicht, aber interessant. Es war eine sehr interessante Begegnung mit dem jungen Rainhard Fendrich, fast wie Vater Sohn. Ich habe mich sehr über mich gewundert und ich muss sagen: Ja, du warst als junger Mann ned schlecht (lacht). Ich hatte das ja alles schon wieder vergessen. Es war eine schöne Reise in die Vergangenheit, denn ein Lied ist immer eine Reflexion. Irgendetwas muss passieren und dadurch bekomme ich eine Idee. Ich sitze ja nicht herum, kaue am Bleistift und denke mir irgendwas aus. Als ich jetzt die Texte gelesen habe, fühlte ich mich regelrecht in die Zeit zurückversetzt, es sind auch viele Gedanken wieder hochgekommen.

ÖMM: Von deinem Album "Voller Mond" (1988) stammen die meisten Nummern. Welche Gedanken sind da hochgekommen?

Fendrich: Das war ein sehr melancholisches Album, ganz ehrlich: das war meine Midlifecrisis. Ich habe damals Angst gehabt, dass es wieder vorbei ist. Ich war ja ein armer Teufel. Ich hab‘ nix gehabt, hab‘ bei meinen Eltern und dann bei meiner Freundin gewohnt, hab‘ mir nicht mal eine Wohnung leisten können und auch kein Auto oder was zum Anziehen. Eine Gitarre hab‘ ich gehabt, das war‘s auch schon. Dann bin ich durch Zufall beim Theater untergekommen. Davor hab ich statiert beim Film und bin als russischer Krieger stundenlang im Schnee gestanden für 100 Schilling am Tag und ein Paar‘l Würstel. Und dann habe ich auf einmal Wohlstand gehabt, das ist bei mir ja schnell gegangen. "Zweierbeziehung", "Strada del Sole" und dann war ich ein Star. Mit dreißig hab ich dann eine panische Angst gehabt, das alles wieder zu verlieren.

ÖMM: Und jetzt bist du auf einmal schon sechzig. ein Alter mit dem du dich anfreunden kannst?

Fendrich: Mit natürlichen Dingen muss man sich immer anfreunden. Das Altern ist ein Prozess, den jeder Mensch individuell erlebt und den man auch nicht aufhalten kann, trotz Fitnesswahn, Hormonkuren und Schönheitsoperationen. Aus dem jüngsten Buam wird einmal ein alter Knacker, das ist so. Und aus dem süßesten Madl wird eine alte Frau. Der Körper ist wie ein altes Auto. Man muss ihn pflegen, darauf achten, dass man seine Ernährung anpasst und nicht immer alles hineinfrisst. Wichtig ist auch viel zu schlafen. Man spricht immer von der senilen Bettflucht, bei mir stimmt das gar nicht. Aber man bekommt eine andere Einstellung zum Leben, denn es wird kostbarer, ich habe mehr als die Hälfte hinter mir. 120 möchte ich gar nicht werden, also ist die Zukunft absehbar. Von 30 bis 48 war Zeit für mich überhaupt kein Thema, da war sie gefühlt unendlich vorhanden. Wie Falco gestorben ist, habe ich das erste Mal geschluckt. Die Worte Zeitvertreib oder Zeitverschwendung kommen in meinem Wortschatz nicht mehr vor. Ich mache nur noch die Sachen, die mir Freude bereiten und dadurch bekommt mein Leben eine ganz besondere Qualität. Ich mach‘ keine Sachen mehr, die mir Schmerzen bereiten, ich rede nicht mit Journalisten, die mir auf die Nerven gehen, ich mach‘ keine Fernsehsendungen, die mich nicht interessieren. Ich habe in meinem Leben mehr erreicht als ich es mir als armer Teufel jemals erhofft habe. Ich bin dankbar.

ÖMM: Bist du der Sechzigjährige, den du dir vorgestellt hast?

Fendrich: Ich bin sicherlich ein anderer Sechzigjähriger als mein Vater, der war mit sechzig pensionsreif und mein Großvater war ein kranker, alter Mann, aber die haben beide Kriege miterlebt. Mein Großvater hat Gasangriffe überlebt, mein Vater ist im Zweiten Weltkrieg als Flieger zweimal abgeschossen worden, so etwas zehrt an der Gesundheit.

Foto: © Dominik Beckmann

 

 

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