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ÖMM Diskussion

"Es fehlt an Herzblut, Handschlagqualität und Professionalität."

ORF-Steiermark-Musikchef Bernd Pratter und ÖMM-Medieninhaber u. Magazinleiter Michael Hüttler diskutieren offen und ehrlich über die häufigsten Fehler der heimischen Künstlerschaft.

Hüttler: Kommt es eigentlich nur mir so vor oder kommt dir das auch unter, dass manche neue InterpretInnen in ihrer Präsentation gegenüber den Medien eine unglaubliche Unprofessionalität an den Tag legen?

Pratter: So etwas gibt es fast täglich.

Hüttler: Beispielsweise rufen mich manchmal Bands an und sind entsetzt, dass ich sie nicht kenne. Dann gehe ich auf ihre Homepage, um mich dort über sie zu informieren und finde eine Internetpräsenz vor, bei der mir das Grausen kommt. Ich finde dort weder einen ordentlichen Pressetext, noch ein druckreproduktionsfähiges Foto.

Pratter: Du bekommst nur schlechtes Pressematerial, aber ich kriege auch viel schlechte Musik. Wenn heute die Oma sagt, dass du gut singen kannst, dann wollen die Leute sofort eine Single aufnehmen. Mit 700 Euro bist du gut dabei, im Studio verspricht man dir Radiogarantie und dort wird das dann, auch wenn du nicht singen kannst, irgendwie hingepitcht. Wir kriegen das dann auf den Tisch und lehnen die Nummer bei der Abhörsitzung ab. Daraufhin ruft der natürlich an – nicht in der Dienstzeit, sondern am Sonntagmorgen, kurz vor 7 Uhr – und will wissen warum sein Lied nicht gespielt wird, obwohl es ja so super ist.

Hüttler: Das ist doch wirklich unfassbar!

Pratter: Dann geht es weiter: Scheiß-ORF, der spielt meine Nummer nicht, obwohl die Oma, die Mutti und die Freundin sie toll finden. Und manchmal geht es sogar so weit, dass Ehefrauen bei mir am Tisch sitzen und sagen: "Wenn Sie meinen Mann nicht spielen, dann wissen wir nicht wo wir Geld hernehmen sollen. Er hat zum Arbeiten aufgehört weil alle gesagt haben, dass er so schön singt und jetzt können wir die Miete nicht mehr bezahlen." Das ist leider kein Einzelfall, das ist die Realität.

Hüttler: Das wundert mich nicht, denn es wird häufig falsch investiert. Als ich in den Achtzigern mein eigenes Label hatte, war mir beispielsweise immer wichtig, dass die KünstlerInnen auch pressetechnisch gut präsentiert werden. Das kostet natürlich Geld, aber ordentliche Pressemappen und Fotos gehörten für mich einfach dazu. Für einen Erfolg gehört auch die Bewerbung des neuen Tonträgers mittels Inseraten dazu, das ist essenziell. Stattdessen wird alles nur in die Produktion gesteckt und nichts in die Bewerbung.

Pratter: Aber das zieht sich mittlerweile von den kleinen Künstlern/Künstlerinnen bis zum Großkonzern durch.

Hüttler: Stimmt, große Plattenfirmen sind hier auch nicht besser. Für viele ist es vollkommen klar, dass wir in unserem Magazin sowieso über ihre KünstlerInnen berichten. "Warum sollen wir etwas für ein Inserat bezahlen? Unsere KünstlerInnen kennen doch ohnedies schon alle." Hier gibt es aber Gott sei Dank auch Ausnahmen.

Pratter: Naja, aber du musst die Rechnung nur durchspielen: Du bist ein Label und investierst in die Produktion deines Stars 15.000 Euro. Wenn du dann sieben oder acht tausend Stück verkaufst, bist du zwar vorne mit dabei, aber finanziell noch immer nicht pari. Und dann noch Geld ausgeben für Promotion, die nur vielleicht etwas bringt? Das kann ich schon irgendwie verstehen. Mir ist vollkommen egal wie die Musik verpackt ist, für uns beim Radio zählt nur die silberne Scheibe.

Hüttler: Aber Informationen über die Interpreten/Interpretinnen brauchst du doch trotzdem. Heutzutage hat jede Gruppe eine eigene Homepage und da verstehe ich es einfach nicht, warum sie diese nicht auf Vordermann bringen und fünf Bilder in hochauflösender Qualität sowie einen ausführlichen Pressetext ins Netz stellen. Stattdessen gibt es zwei kleine Live-Fotos von einem Konzert aus Hitzendorf. Was soll ich damit? Da sind viele völlig desillusioniert.

Pratter: Es ist halt so und das ist jetzt ganz wichtig: Musik ist nicht messbar. Wer im Sport am schnellsten fährt oder läuft, ist die Nummer eins. In der Musik ist das anders. Es gibt Leute im deutschsprachigen Raum da stimmt lt. den "Regeln der Kunst" vieles nicht (Gesang - Optik - Präsentation usw.), aber der Erfolg schon.

Hüttler: Aber das ist doch fahrlässig. Mir geht es in unserem Gespräch ja vor allem darum Nachwuchstalente wachzurütteln und zu zeigen, dass sie sich teilweise total unvorteilhaft präsentieren und all die Möglichkeiten, die sie hätten, ungenutzt lassen. Sie sollten sich überlegen wie sie sich am besten in Szene setzen und wie sie ihr Budget am sinnvollsten nutzen könnten, auch in Form einer Produktbewerbung in den Medien. Im Nachhinein sitzen die meisten dann am Schuldenberg und wundern sich warum ihre CD niemand gekauft hat. Dabei wäre es doch in der heutigen Zeit ein Einfaches, z.B. ein Video ins Netz zu stellen, in dem sie über ihr neues Album sprechen, professionelle Pressebilder zu machen oder eben auch Inserationen für ihr neues Produkt in guten Printmedien zu schalten.

Pratter: Da gebe ich dir Recht, vielen fehlen einfach die Ideen. Immer weniger machen sich von sich aus Gedanken darüber, wie sie sich den Medien präsentieren könnten. Die neue CD ist eine nette Sache, aber journalistisch muss man das anders aufziehen. Das Problem habe ich oft bei Interviews, weil die Leute nichts hergeben. Die neue Single ankündigen kann ich auch alleine, dafür müssen sie nicht zu mir ins Studio kommen. Gerade im Radio ist es wichtig auf Qualität zu setzen. Es gibt natürlich Bands und Interpreten/Interpretinnen, die sehr bemüht sind alles richtig zu machen und somit als echte Vorbilder gelten; das sind dann die Erfolgreichen.

Beide: Kurz gesagt: Es fehlt Herzblut, Handschlagqualität und Professionalität, das muss sich unbedingt ändern.

Foto: © Privat

 

 

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